Sechs Tage auf den Färöern – Tag 3

15.08.2015:  Am dritten Reisetag bewegten wir uns nach Westen. Auf der Insel Vágar besuchten wir zunächst ein Museum, das die Zeit des 2. Weltkrieges auf den Färöern behandelt. Dann bestiegen wir ein ganz besonderes Boot und schipperten ca. 5 km nach Süden zum Bøsdalafossur, der sich 30 Meter tief in den Atlantik stürzt. Später besichtigten wir die Schauplätze wichtiger Romane, und unterwegs hielten wir noch hier und da, um einzigartige Ausblicke zu bestaunen. Am Abend bestaunten wir im Restaurant Koks nicht nur Tórshavn von oben, sondern auch Produkte der New Nordic Cuisine … Bitte hier entlang!

Als Erstes aber hatten wir tatsächlich ein bisschen Zeit, trockenen Fußes (im Gegensatz zum Ankunftstag) durch Tórshavn zu schlendern. Kurios, wie hier alles auf so engem Raum und in so übersichtlichen Gebäuden versammelt ist … Rathaus, Parlament, Botschaften, Dom … Alles da.

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Von unserer ersten Station auf Vágar, dem Museum zum 2. Weltkrieg in Miðvágur, gibt es leider keine Bilder, da das Fotografieren dort nicht gestattet ist. Ein Besuch lohnt sich aber allemal! Die Färöer waren während des 2. Weltkriegs komplett isoliert, hatten mit ihrem Mutterland Dänemark praktisch keinen Kontakt. Einige britische Soldaten landeten/strandeten hier und konnten sich glücklich schätzen, auf diesen entlegenen Inseln fernab vom Kriegsgeschehen zu sein. Und die Färinger konnten sich glücklich schätzen, britische statt z. B. russische Soldaten zu beherbergen. So ging der 2. Weltkrieg an den Färöern zwar nicht völlig spurlos, aber doch relativ undramatisch vorbei.

Nach diesem Einblick in wieder mal eine neue Facette der Jahre 1939-1945 lernten wir dann eine neue Facette des Bötchenfahrens kennen … Käpt’n Ólavur von Lakeside Sightseeing hieß uns an Bord seines selbstgebauten schwimmenden Wintergartens mit ausrangierten Lufthansa-Sitzen darin willkommen, servierte uns eine köstliche Fischsuppe und brachte uns von der Nord- an die Südspitze des größten Binnensees der Färöer, des Sørvágsvatn bzw. Leitisvatn. Laut Käpt’n ist das Gewässer 6.000 m lang, 600 m breit und 60 m tief (schön einfach zu merken!). An der Südspitze ergießt sich der Sørvágsvatn bzw. Leitisvatn 30 Meter tief schon bei schönem Wetter recht spektakulär in den Atlantik – und doch wollten einige Mitreisende es dem Guide nicht abnehmen, dass bei Sturm auch schon mal umgekehrt der Atlantik in den Sørvágsvatn bzw. Leitisvatn schwappt … In Minutenschnelle zog übrigens Seenebel auf, und so war erstmal Schluss mit der guten Aussicht.

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Der See, der Wasserfall, der Atlantik (v.l.n.r.)
Der See, der Wasserfall, der Atlantik (v. l. n. r.)

Zurück am nördlichen Anleger bekamen wir so einige Isländerpferde zu Gesicht, die zu einem Turnier zusammengekommen waren. Aber dann ging es noch ein Stück weiter nach Westen. In Bøur steht das Haus, das in Lisbeth Nebelongs Färöer-Romantrilogie Færøeblues / Når engle spiller Mozart / Møde i mol  (erschienen im dänischen Verlag Hovedland) eine zentrale Rolle spielt. (Hier geht es zu einer Leseprobe aus Møde i mol.)

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Und dann mein persönlicher Höhepunkt des Tages: Gásadalur. Der Weiler aus Anders Johansens Jugendbuch Hullet (der dort Fjeldvig heißt) und der westlichste Punkt unserer Reise.

Gásadalur galt bis zum Bau des Tunnels durch das Fjäll, der 2006 fertiggestellt wurde, als das entlegenste Dorf Europas. Es war nur über das 400 m hohe Fjäll zu Fuß zu erreichen – oder seit 1985 auch per Helikopter. Im Dorf leben weniger als 20 Menschen (die Angaben schwanken zwischen 12 und 18), und hier gibt es ausnahmsweise mal keine Kirche. Das Dorf drohte auszusterben, und man scheute von öffentlicher Seite keine Kosten, um ihm (wie übrigens auch anderen Dörfern, denen ein ähnliches Schicksal drohte) durch den Tunnel und damit den Anschluss an den Rest der Inseln und somit der Welt das Leben zu retten. Die Bewohner des Weilers waren sich lange selbst genug, nicht alle sahen dem Durchbruch mit Wohlwollen entgegen. Wie das so ist: Jede Medaille hat zwei Seiten. Und um diese zwei Seiten geht es in Anders Johansens Hullet.

„Hullet“ heißt „das Loch“, und damit ist in diesem Roman zum einen das Loch gemeint, das durch den Fels gesprengt wird, zum anderen das Loch, das der jugendliche Protagonist David in sich selbst spürt: Er ist Autist, ihm fehlen gewisse Fähigkeiten, die alle anderen um ihn herum haben. Dafür hat er andere Begabungen – z. B. kennt er sämtliche lateinische Namen der vielen Seevögel, die auf den Färöern brüten. David kommt in der kleinen, überschaubaren Gemeinschaft gut zurecht, kann dort aber nicht seinen Herausforderungen entsprechend gefördert und zu einem selbstständigen Erwachsenen werden. Durch den Tunnel kommen plötzlich Fremde ins Dorf und bringen alles durcheinander … Davids Vater ist der Postbote des Dorfes, der drei Mal pro Woche den zweistündigen Marsch über das Fjäll nach Bøur (und wieder zurück) antritt, und für den der Tunnel Teufelswerk ist. Er will, dass alles so bleibt, wie es ist. Davids Mutter dagegen erkennt, dass ihr Sohn Hilfe braucht, die er auf diesem Flecken, so idyllisch er auch sein mag, nicht bekommen kann. Einige Dorfbewohner verdammen die nun auftauchenden Touristen, andere nehmen sie mit offenen Armen auf, sind geschäftstüchtig und schlagen Kapital aus der neuen Situation. Es geht also ein Riss durch diese kleine Gemeinschaft, ja, durch Davids Familie …

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Ein ganz besonderer Ort. Der 7 km lange Postpfad zwischen Gásadalur und Bøur gilt unter Wanderfreunden übrigens als Geheimtipp.

Abends versammelten wir uns dann hoch über Tórshavn in dem im Hotel Føroyar gelegenen Restaurant Koks und erlebten wieder eine ganz neue Seite der färingischen Küche. Von der Website des Restaurants fasse ich das mal so zusammen:

Ziel des Chefkochs Poul Andrias Ziska ist es, den Geschmack und Geruch der färingischen Landschaft zu destillieren und in Form von exquisiten Gerichten auf den Tisch zu bringen. Dafür benutzt er weitestgehend färingische Zutaten – grob und fein, althergebracht und modern – und legt dabei Wert auf Nachhaltigkeit. Im Koks wird das Rad nicht neu erfunden, nur um etwas Neues präsentieren zu können. Hier werden überlieferte Gebräuche weiter gepflegt – hier wird getrocknet, fermentiert, gesalzen und geräuchert. Auf der Karte stehen stets Gerichte der Saison. Alles ist schlicht und frisch. Und echt färöisch.

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Und wem es bis zu den Färöern zu weit ist, der kann mit etwas Glück noch bis zum 30. April 2016 in Kopenhagen in den Genuss kommen – Koks feiert dort sein fünfjähriges Bestehen. Noma macht ohnehin erst Anfang Mai wieder auf.

Die Route des dritten Tages ist mit GRÜN markiert.
Die Route des dritten Tages ist mit GRÜN markiert.

 

 

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