Das Goethe Institut Dänemark und das Institut Français du Danemark luden (mit freundlicher Unterstützung der Dänischen Kulturbehörde) am 10. und 11. November 2015 in den Räumlichkeiten des Dänischen Schriftstellerverbandes zu einem „Fachseminar zum Thema Übersetzung“. Ziel des Seminars war es laut Goethe Institut, „ein Augenblicksbild vom Stand des Übersetzungsbereichs und den Fördermaßnahmen der dänischen, deutschen und französischen Verlagsszene zu erstellen.“
Als Referenten waren Autoren, Übersetzer, Kulturinstituts- und Verlagsangehörige aus Frankreich, Deutschland und Dänemark geladen – als Gäste in erster Linie VerlagsvertreterInnen aus den drei genannten Sprachgebieten.
Ich war eingeladen, um gleich am ersten Vormittag vor den ca. 50 Zuhörern den Verband deutschsprachiger Übersetzerinnen und Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke (kurz: VdÜ) zu präsentieren, in dem ich mich u. a. als gewähltes Mitglied der Honorarkommission ehrenamtlich engagiere, sowie etwas zur Rolle des Übersetzers bzw. zum Gewicht der Stimme des Übersetzers zu sagen. – Das Ganze übrigens, wie alle anderen Referenten auch, auf Englisch. (Die Übermacht des Englischen wurde denn auch hin und wieder kommentiert und debattiert.)
VertreterInnen von Dänischer Kulturbehörde, Goethe Institut und Institut Francais präsentierten ihre jeweiligen Fördermöglichkeiten für die Übersetzung dänisch-, deutsch- bzw. französischsprachiger Literatur.
Jean Mattern (Éditions Gallimard) und Eva-Marie von Hippel (Berlin Verlag) gaben jeweils einen Überblick über die Veröffentlichung übersetzter Literatur sowie die aktuelle Verlagslandschaft in Frankreich und Deutschland; Moritz Schramm von der Syddansk Universitet zeigte wichtige Tendenzen der deutschen Gegenwartsliteratur seit der Wende auf.
In einem Interview mit dem dänischen Radiomoderator Tore Leifer entpuppte sich Jens Christian Grøndahl, einer der meistübersetzten dänischen Gegenwartsautoren, als erfrischend und wohltuend übersetzerfreundlich. Zumal für mich, die ich zuvor die mangelnde Anerkennung der Arbeit der ÜbersetzerInnen sowohl durch Worte als auch durch angemessene Bezahlung moniert hatte. Jens Christian Grøndahl sagte so schöne Sätze wie „Everyone deserves not to be translated literally“, womit er quasi mein Lichtenberg-Motto, das sich als eine Art AGB am Ende aller meiner E-Mails sowie auf der Startseite meiner Website findet, ins Englische übersetzt und ihm noch eine weitere Dimension (was der Autor verdient hat, was dem Autor zusteht) verleiht. Auch betonte er mehrfach, dass Übersetzer die Originale im Prinzip ganz neu schrieben, nur eben in ihrer eigenen Sprache. Die französische Übersetzung eines seiner Bücher sei daher ein eigenständiges, zusätzliches Werk, und nicht nur eine Kopie.
Den Abschluss des ersten Seminartages bildete dann ein Empfang im Institut Français du Danemark mit kurzen Grußworten des französischen Botschafters François Zimeray sowie einer Vertreterin der deutschen Botschaft, mit leckeren Häppchen und mit Zeit für die so wichtigen informellen Gespräche.
Der Vormittag des zweiten Tages stand ganz im Zeichen der aktuellen und kommenden Herausforderungen auf dem Buchmarkt an sich und der Frage danach, wie diesen zu begegnen sei. Die ambitionierte Digitalisierungsinitiative das dänischen Verlags Lindhardt & Ringhoff (sagabooks.dk) wurde präsentiert und von Morten Visby vom Dänischen Übersetzerverband kommentiert, wobei er vor allem mit zwei Äußerungen nicht nur bei mir Erstaunen auslöste: Zum Einen „We are all happy about the book market’s liberalisation“ und zum Anderen die Erläuterung, aufgrund dieser Liberalisierung des Buchmarktes gebe es in Dänemark – abgesehen vom Sonderfall sagabooks.dk – keinerlei Mindeststandardvereinbarungen zwischen Übersetzerverband und Verlagsverein. Søren Møller Christensen von dem kleinen, feinen, unabhängigen Verlag Vandkunsten hatte anschließend Gelegenheit, sich zu dieser in Dänemark vor zehn Jahren eingeführten Liberalisierung des Buchmarktes (zu der u. a. die Aufhebung der Buchpreisbindung gehörte) zu äußern sowie zur „Bestsellerisation“, der sich immer stärker ausprägenden Fixierung auf einzelne Spitzentitel.
Auch Morten Visby hatte dann noch Gelegenheit, etwas über die Bedeutung der Stimme des Übersetzers zu sagen, und packte das Thema interessanterweise ganz anders an als ich am Tag zuvor. Während ich mehr von der Stimme einzelner Übersetzer sprach, also in erster Linie von meiner – sowohl von meiner Stimme im Text als auch von meiner Stimme als Expertin für englisch- und dänischsprachige Literatur (in Teilbereichen!!) als auch von meiner Stimme als sich für bessere Konditionen einsetzendes Verbandsmitglied – und diese grundsätzlich als individuell und wertvoll, aber letztlich im großen Zusammenhang doch als austauschbar bewertete -, beleuchtete Morten Visby das Thema mehr hinsichtlich der Rolle der Gesamtheit aller Übersetzerstimmen und konnte anhand mehrerer Beispiele belegen, dass Übersetzung an sich und ergo die Gesamtheit aller Übersetzenden mehr und mehr an Gewicht bekommen.
Dann zerbrachen sich alle gemeinsam den Kopf darüber, wie die Vermittlung deutsch- und französischsprachiger Literatur ins Ausland (konkret nach Dänemark) befördert werden könnte, wobei die Initiativen der dänischen Kulturbehörde, die am ersten Vormittag von Annemarie Rasmussen vorgestellt worden waren, als besonders vorbildlich, da für mehrere Beteiligte nützlich und hilfreich, hervorgehoben wurden. Insbesondere die finanzielle Förderung der Anfertigung von Übersetzungsproben/Gutachten wurde hier mehrfach erwähnt.
Für mich endete das Seminar hier bzw. mit einem Mittagessen im Kopenhagener Stadtteil Christianshavn mit richtig netten Menschen von Droschl, dtv, der Frankfurter Verlagsanstalt, Hoffmann & Campe, mare/Europa Verlag und Random House, die im Prinzip natürlich alle wissen, wie wichtig die Stimme der Übersetzerin ist – zumal, wenn die Übersetzerin pünktlich und zuverlässig gute Arbeit abliefert. Von der Rechtsabteilung diktierte schlechte Vertragsbedingungen für ÜbersetzerInnen machen nämlich in Wirklichkeit auch den Lektoraten die Arbeit schwer, „weil die guten Übersetzer abwandern“ zu Verlagen, die ihnen bessere Konditionen bieten.
Die VertreterInnen von rund je rund zehn deutschen (Entschuldigung, auch österreichischen und schweizerischen!), französischen und dänischen Verlagen trafen sich dann am Nachmittag noch zu so einer Art Speed Dating.
Ob das Seminar nun konkrete Ergebnisse in Sachen Literaturvermittlung, -import und –export zeitigen wird oder nicht: Es hat sich wieder einmal gezeigt, wie wichtig die persönliche Begegnung und das direkte Gespräch sind, um Vorbehalte abzubauen und Verständnis füreinander zu entwickeln.
Ich danke den Veranstaltern für die Einladung!