„[…] Sally McGranes fantastisches Debüt […] Moskau um Mitternacht ist eine von Randbemerkungen und Beobachtungen volle Liebeserklärung an den Wahnsinn namens Russland im Allgemeinen und Moskau im Besonderen. […] Und wenn es dann vorbei ist, einem der Kopf noch dröhnt von dem ganzen Wodka, den Max in sich hineingekippt hat, wacht man auf aus diesem irren Traum von Buch wie der verstrahlte Max am Pool des Moskauer Ganzkörperfitnessstudios Lermontov, für dessen Erfindung allein man Sally McGrane zu Füßen liegen muss. Denkt, was war das denn gerade? Mixt sich einen White Russian. Und fängt von vorne an.“
meint Elmar Krekeler in seiner Krimi-Kolumne „Krekeler killt“ am 13.4.2016 in der Welt.
Ich muss gestehen, bei der Übersetzung dieses Spionageromans ist es mir ähnlich ergangen. Also, nicht dass ich während der Arbeit Wodka in mich hineingekippt hätte. Aber Stichworte wie „Wahnsinn“, „der Kopf dröhnt“ und „irrer Traum“ beschreiben auch ganz gut mein Empfinden während der Verwandlung dieser rasanten und für mich, deren Russlandkenntnis bis Oktober 2015 gegen Null tendierte, exotischen Geschichte ins Deutsche. Im Ernst. Bei einem Telefonat mit dem Lektor, als ich ca. 3/4 durch den Text durch war, beklagte ich mich über die vollkommene Absurdität einer bestimmten Szene … Und er meinte nur: Alles, was Sally McGrane in dem Buch verarbeitet habe, habe sie entweder genau so oder sehr ähnlich entweder selbst erlebt oder erzählt bekommen. Okay. Bizarr.
Rasant war übrigens auch der Übersetzungsprozess. Das Manuskript war nämlich so frisch, dass es eigentlich noch gar nicht ganz reif war, als ich Ende Oktober eine Version bekam, mit der ich schon mal anfangen sollte. Diese hätte ca. 280 Übersetzungs-Normseiten ergeben, die ich bis 15. Dezember liefern sollte. Ich legte mich ins Zeug, übersetzte einige Szenen vorab für eine Leseprobe, recherchierte, um zu verstehen (geheime Städte, Diamantminen, sibirische Naturvölker usw.) und staunte und hatte schon weit über die Hälfte im Kasten – da erhielt ich die finale finale Version … Die nicht nur länger war als die Version, die meine Arbeitsgrundlage gewesen war, weil sie neue Szenen enthielt, sondern in der auch ein paar Szenen gestrichen und hier und da kleine Änderungen vorgenommen worden waren … Ähem. Wie sollte ich da meinen Abgabetermin einhalten?
Doch keine Panik: Sowohl Lektor als auch Verleger waren ganz entspannt. Überhaupt war die Zusammenarbeit mit dem Europa Verlag ausgesprochen angenehm und vergleichsweise übersetzerfreundlich. Ein bisschen Luft war doch noch im Ablauf – „Und wenn das Buch erst später fertig wird, erscheint es halt später.“ – So etwas geht bei den Branchenriesen, für die ich sonst so arbeite, und die ihre Vorschauen bereits ein halbes Jahr im Voraus drucken, natürlich nicht, darum war das ganz ungewohnt für mich.
Moskau um Mitternacht erschien dann am 14. März, pünktlich zur Leipziger Buchmesse, wo Sally McGrane und Lektor Carsten Schmidt mehrere Lesungen machten. Und am 14. April, genau einen Monat nach Erscheinen, war die offizielle Buchpremiere an einem sehr passenden Veranstaltungsort: im Deutschen Spionagemuseum Berlin. Das war in meiner Laufbahn (Moskau um Mitternacht ist meine 38. Buchübersetzung) die erste mit einer Veranstaltung begangene Buchpremiere, und darum reiste ich auch extra an.
Leider hat sich in diesem rasanten Prozess (viereinhalb Monate für die Übersetzung von 333 Seiten, Redaktion, Korrektur, Herstellung usw. sind ganz schön sportlich) übrigens mindestens ein Fehler in den deutschen Text eingeschlichen: Auf S. 292 in der oberen Hälfte fragt Max Constantin: „Sie hatten sie gefangen?“ Das ergibt an der Stelle wenig Sinn … Im Redaktions- bzw. Korrekturprozess hat sich nämlich leider ein falscher Buchstabe eingeschlichen. Richtig wäre: „Sie halten sie gefangen?“ (Ich danke dem aufmerksamen Leser, der mich darauf hingewiesen hat!)
Wer das Buch jetzt lieber im englischen Original lesen möchten als in meiner Übersetzung: Das geht leider nicht. Sally McGrane wurde mit diesem Erstling vom Europa Verlag direkt unter Vertrag genommen, und bisher hat sich noch kein angelsächsischer Verlag gefunden, der es im Original herausbringen möchte.
Aber das hält die Autorin nicht davon ab, sich bereits über die Fortsetzung der Geschichte Gedanken zu machen. Arbeitstitel: Odessa at Dawn. 😉
Sally McGrane
Moskau um Mitternacht
Spionage-Roman
Europa Verlag
312 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 13,7 × 21,7 cm
17,99 € (D) / 18,50 € (A)
ISBN 978-3-95890-013-4, WG 1121
Aus dem amerikanischen Englisch von Marieke Heimburger